Grösserer Teil der Pensionskassen nicht auf Netto-Null Kurs

Die Klima-Allianz hat ihr Rating der Pensionskassen aktualisiert und die Kriterien den Erfordernissen der Klimawende angepasst. Das Ergebnis: nur 25% des Vorsorgekapitals werden dank nachhaltiger “Good Practice” in “Hellgrün” so investiert, dass die finanzierten Treibhausgasemissionen kontinuierlich sinken. 

Somit unterstützt nur ein Viertel einigermassen das Klimaziel von maximal 1.5° C Klimaerhitzung mit Netto-Null spätestens 2050. Gar nur 1% des Anlagevolumens wird in visionärer Weise angelegt, indem nur Wirtschaftsaktivitäten mit positiver Wirkung auf Gesellschaft, Umwelt und Klima oder mit guter Aussicht dazu finanziert werden. Diese Vision mit “Grün” ist die Zukunft, um die Begrenzung auf 1.5°C zu schaffen: nämlich wenn alle Vorsorgegelder die Lösungen für eine fossilfreie, menschengerechte und inklusive Wirtschaft unterstützen. Die Kombination der Umlenkung der Investitionen mit wirksamer Aktionärseinflussnahme maximiert die Wirkung der Nachhaltigkeitspfades auf die Realwirtschaft. Gleichzeitig würde “Environmental, Social, Governance (ESG) at its best” erreicht, nämlich eine optimale Ausrichtung an den UN Sustainable Development Goals. 

Die restlichen 74% des Altersgeldes der Versicherten aber finanzieren die fossile Wirtschaft und sind damit auf Kurs einer Klimaerhitzung von 3°C und mehr. Nur bei den 16% des Anlagevolumens in “Orange” besteht eine gewisse Aussicht für eine Evolution hin zu einem Dekarbonisierungspfad der Investitionen. 

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Klimakrise erfordert unverzüglichen Dekarbonisierungspfad zu Netto-Null weit vor 2050

Die Klimakonferenz von Glasgow im November 2021 hat das seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 geltende Temperaturziel von “deutlich unter 2°C” neu auf 1.5°C festgesetzt. Der neue Klimapakt hat fossile Energieträger explizit als Verursacher benannt. Gleichzeitig werden die Staaten und die Wirtschaft zu Netto-Null Treibhausgasemissionen verpflichtet. Im Vorfeld hatte die traditionell den fossilen Energien verhaftete Internationale Energieagentur (IEA) bereits ihre eigene Klimawende bekannt gegeben. In ihrer Roadmap for the Global Energy Sector von Mitte 2021 legt sie einen Dekarbonisierungspfad fest, unter exakter Nennung des Jahres 2050 für die Erreichung des Netto-Null Ziels. Und mit ihrem normativen Net Zero Emissions by 2050 Scenario (NZE) im IEA World Energy Outlook 2021 vom Oktober 2021 kommunizierte sie, dass jegliche Entwicklung neuer Kohle, Erdöl und Erdgasförderung unverträglich ist mit Netto-Null 2050.

 

Gold Standard liegt vor: Roadmap der Net Zero Asset Owners Alliance 

Bis 2025 ist eine Reduzierung der finanzierten Emissionen um mindestens 22%, besser noch 32%, gegenüber 2020 erforderlich. Bis 2030 muss die Senkung 49%, besser noch 65% betragen, um das verbindliche Netto-Null Ziel spätestens 2050 sicher zu erreichen. Diesen wissenschafts-basierten Klimapfad gibt die beispielgebende Leitlinie des Target Setting Protocols der Net Zero Asset Owners Alliance (NZAOA) vor, die führende Vereinigung globaler Versicherungen und Pensionskassen. Die NZAOA Roadmap beruht im Wesentlichen auf den drei Handlungsachsen direkte Portfoliodekarbonisierung, Reduktion der finanzierten Emissionen in der Realwirtschaft via Aktionärseinflussnahme und gezielte Investitionen in die Klimalösungen.

 

Grün steht neu für “Visionär”

Die der Klimakrise angepassten neuen Kriterien der Klima-Allianz  sind dem Ziel von 1.5°C weit vor 2050 und der globalen Nachhaltigkeitsreferenz der UN Sustainable Development Goals verpflichtet. Die Visionäre – vorderhand nur 1% des Anlagevolumens – bewegen sich in best-möglicher Weise auf diese Ziele zu: sie lassen die Altersgelder nur in ökologisch nachhaltig sowie sozial und ethisch vertretbare Tätigkeiten fliessen. Sie reduzieren das investierbare Anlage-universum stark oder nehmen Umgewichtungen von fossil auf grün vor. “Grün” heisst also: Fokussierung auf positive Wirkung auf Gesellschaft, Umwelt und Klima. Damit werden Erträge von  jenen Wirtschaftssektoren gesucht, welche nicht die Treiber der Klimaerhitzung sind, sondern die sich der Lösungen für die Netto-Null Wirtschaft und für die Klimagerechtigkeit annehmen. Mit ihrer zweiten Handlungsachse, der Einflussnahme auf Firmen, die investierbar bleiben, sich aber verbessern müssen, erhöhen die Pioniere zudem ihre Wirkung auf die Realwirtschaft. Sie schliessen sich dabei zu Investorenvereinigungen zusammen – nachweislich wirksam ist etwa der Ethos Engagement Pool International mit seiner Arbeit im Rahmen des globalen Investorenverbunds Climate Action 100+. Dieser will sicherstellen, dass die grössten Verursacher von Treibhausgasen die notwendigen Maßnahmen zur Begrenzung der Klimaerhitzung auf 1.5°C ergreifen und sich zu einem Dekarbonisierungspfad hin zu Netto-Null verpflichten.

 

Hellgrün: “Good Practice”, im Prinzip auf Kurs Richtung Netto Null 2050

Diese nachhaltigen 25% der Vorsorgekapitalien unterstützen einigermassen das Ziel der Klimakonferenz von Glasgow Ende 2021 für die Begrenzung der Klimaerhitzung auf 1.5°C. Vielfach fehlt jedoch noch die Verbindlichkeit zur im Mindestmass erforderlichen Halbierung des CO2-Fussabdrucks bis 2030 im Vergleich zu heute, damit die Erreichung von Netto-Null spätestens 2050 realistisch ist. Nur wenige Vorsorgeeinrichtungen haben die gesamte Wegstrecke bis spätestens 2050 in den Fokus genommen, so wie es der heutige Gold Standard vorzeichnet:  die Roadmap des Target Setting Protocol der Net Zero Asset Owners Alliance. Trotz dieser Schwächen setzen diese “Good Practice” Vorsorgeeinrichtungen bereits erprobte, in der Finanzwelt anerkannte ESG-Prinzipien der Titelselektion konsequent um. Ähnlich wie die Visionäre, aber noch nicht mit deren Intensität, bevorzugen sie Unternehmen, deren Aktivitäten und Geschäftsmodelle fit für den Übergang in eine postfossile Wirtschaft sind und diesen unterstützen. Ganz wie die Visionäre praktizieren die meisten dieser “Good Practice” Pensionskassen auch die Aktionärseinflussnahme auf die Realwirtschaft. Sie agieren besonders via den Ethos Engagement Pool International, neu aber auch via den SVVK: mit ihrer Masse erhöhen sie im Rahmen der internationalen Climate Action 100+ mit Erfolg den Druck auf die Grosskonzerne, die mit ihrer Produktion und ihren Werschöpfungsketten für den Grossteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.

  • Typische Pensionskassen mit deutlichem Netto-Null Potenzial 2050 über alle ihre Wertschriftenanlagen in Linie mit der NZAOA Roadmap: PUBLICA, Migros Pensionskasse (MPK), Pensionskasse der Stadt Zürich (PKZH), Pensionskasse Basel-Stadt (PKBS), Luzerner Pensionskasse (LUPK), Caisse de pensions de la fonction publique du canton de Neuchâtel (CPCN).
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Orange: Auseinanderdriften im Mittelfeld 

Ein Teil des Mittelfeldes von 16% des gesamten Anlagevolumens zeichnet sich erst durch wenige Schritte getätigter Dekarbonisierung wie die Entfernung von Kohleminen und von Kohlekraftwerken. Die gute Nachricht hingegen: über die Hälfte des Anlagevolumens in “Orange” wird durch Pensionskassen angelegt, die kürzlich Klimapfade mit Netto-Null Potenzial beschlossen haben.

 

Rot: Fehlende Transparenz, vage Absichtserklärungen, gar keine Nachhaltigkeitsgrundsätze

Der aufgrund der stringenteren Rating-Kriterien angestiegene rote Anteil von 58% zeigt auf, dass viele Firmen-Pensionskassen gar keine Website führen und der Ansicht sind, dass ihre Investitionspolitik die Öffentlichkeit nichts angeht. Wo Transparenz besteht, haben die Nachzügler sich gar keine Nachhaltigkeitsgrundsätze gegeben oder vorderhand noch unverbindliche Absichtserklärungen veröffentlicht. Sie sind in konventionelle, klimaschädliche Fonds investiert, oder sie erlauben nicht nachhaltige Investitionstechniken, die ihnen durch Banken und Fondsgesellschaften angeboten werden.

  • Typische intransparente Firmen-Pensionskassen: Pensionskasse UBS, Pensionskasse Roche, Pensionskasse AMAG, Pensionskasse Rolex, Pensionskasse Johnson & Johnson, und viele mehr.
  • Typische gewichtige Institutionen ohne Fortschritte: compenswiss/AHV Fonds, Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Swisscanto Sammelstiftungen, Stilllegungsfonds für Kernanlagen und Entsorgungsfonds für Kernkraftwerke STENFO, GastroSocial Pensionskasse, PKG Pensionskasse für KMU’s, Nestlé Fonds de Pensionskasse Swatch Group, Fondations Collectives Trianon FCT, Pensionskasse Syngenta. 
  • Link zur Übersichtstabelle mit Kurzbegründungen als PDF

 

Klimaschädlichkeit verletzt auch Sorgfaltspflicht 

Die Institutionen in “Rot” missachten ihre gesetzlich vorgegebene treuhänderische Sorgfaltspflicht.   Ihre unverminderten Investitionen in fossile Energien sind also nicht nur ein Risiko für das Klima, sondern auch für die Renten. Bereits seit 2018 bekräftigt das Rechtsgutachten NKF, dass auch die schweizerischen Pensionskassen die finanziellen Klimarisiken bei der Firmenselektion für ihre Kapitalanlagen berücksichtigen müssen. Auch dürfen sie es nicht verpassen, die Chancen der Energietransition wahrzunehmen. Wenn die Verantwortlichen ihr Risikomanagement nicht anpassen, kann dies juristisch als Verletzung ihrer treuhänderischen Sorgfaltspflicht ihren Versicherten gegenüber eingestuft werden. Die säumigen Pensionskassen machen sich rechtlich angreifbar.

 

Kontakt: Sandro Leuenberger, sandro.leuenberger@klima-allianz.ch