JA zum CO2-Gesetz: Expertin für internationale Klimapolitik Dina Spörri im Interview

«Das CO2-Gesetz ist der Beweis dafür, dass wir es ernst meinen mit dem Pariser Klimaabkommen.» 

Dina Spörri* vertrat die Schweiz in den Verhandlungen zum Pariser Klimaabkommen. Die Expertin für internationale Klimapolitik erklärt, wozu sich die Schweiz verpflichtet hat und warum das CO2-Gesetz sowohl national als auch international bedeutsam ist, um die Klimakrise einzudämmen.

Warum braucht es ein JA zum CO2-Gesetz?

Ein Ja zum CO2-Gesetz bedeutet ein Ja zum Klimaschutz und ein Ja zum Pariser Klimaabkommen. Es ist zentral, dass die Schweiz ihren Beitrag leistet, denn ein globales Problem wie der Klimawandel bedarf einer globalen Lösung. Das CO2-Gesetz ist der Beweis dafür, dass wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz. Wir zeigen damit auch, dass die Schweiz eine glaubwürdige Verhandlungspartnerin ist. Es ist absolut zentral, dass die Schweiz ein griffiges CO2-Gesetz hat, denn nur so können wir auch glaubwürdig von anderen Ländern einfordern, dass sie sich ambitionierte Ziele setzen.

 

Wozu hat sich die Schweiz mit dem Klimaabkommen von Paris 2015 verpflichtet?

Die Schweiz hat sich mit allen anderen über 190 Staaten, die das Abkommen ratifiziert haben, dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu halten und sicherzustellen, dass bis spätestens 2050 der CO2-Ausstoss auf Netto-Null reduziert wird. Es ist das erste Klimaabkommen, das praktisch alle Staaten umfasst und einen Großteil der Emissionen weltweit abdeckt. 

 

Was bedeutet Netto Null und wo steht die Schweiz diesbezüglich?

Die Schweiz geht mit dem CO2-Gesetz den ersten Schritt zur Umsetzung der Klimaverpflichtung von Paris. Mit dem CO2-Gesetz hat sie sich ein erstes Zwischenziel gesetzt: Die Treibhausgasemissionen sind bis ins Jahr 2030 um mindestens 50 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Das ist realistisch und soll zu 75% hier in der Schweiz geschehen.

 

Und wie soll Netto-Null erreicht werden?

Die Schweiz und alle anderen Vertragsstaaten haben sich dazu verpflichtet, alle fünf Jahre ein Emissionsreduktionsziel einzureichen, das über die Zeit immer ambitionierter wird. Dazu gehört auch die Verpflichtung, nationale Massnahmen umzusetzen, um das formulierte Ziel zu erreichen – dafür braucht es das CO2-Gesetz.

 

Die Schweiz ist ein kleines Land. Wie wichtig ist unser Beitrag an den internationalen Klimaschutz?

Für die internationale Klimapolitik ist jedes Land relevant, egal ob gross oder klein, viel oder wenig CO2-Ausstoss. Das Abkommen verpflichtet alle Länder, sich gemäß ihrer Verantwortung wie auch gemäss ihren Möglichkeiten gegen den Klimawandel zu engagieren. Es gibt viele Länder, die noch einen viel kleineren CO2-Ausstoss als die Schweiz haben. Und auch von denen verlangen wir, dass sie ihren Beitrag leisten. Es kann nicht sein, dass ein reiches Land wie die Schweiz sich hinter der vermeintlich kleinen «Grösse» versteckt. Denn so klein ist die Schweiz eigentlich gar nicht. Wenn man nämlich die importierten grauen Emissionen, welche bei der Produktion von Gütern im Ausland entstehen, sowie die Auswirkungen der Investitionen des Schweizer Finanzmarktes mit einrechnet, dann sind wir global auf Rang sechs der weltweiten Emissionsverursacher.

 
Welche Kapazitäten hat die Schweiz in Bezug auf Klimaschutz?

Die Schweiz hat gerade im Vergleich mit vielen anderen Ländern sehr hohe Kapazitäten, um Klimaschutz zu betreiben. Wir haben dank einem hohen Bruttoinlandprodukt gute finanzielle Möglichkeiten. Und wir verfügen über sehr viel technologisches Wissen. Darauf können wir zurückgreifen, um effektiven Klimaschutz in der Schweiz zu betreiben. Es ist wichtig, dass die Schweiz hier ihre Rolle wahrnimmt und die Möglichkeiten, die sie hat, auch wirklich nutzt. 

 

Wie entwickelt sich die internationale Klimapolitik?

Die Entwicklungen in der internationalen Klimapolitik sind zurzeit sehr positiv. Es ist inzwischen in jedem Land angekommen, wie wichtig Klimaschutz ist. Heute kann es sich kein Land mehr leisten, nichts zu tun. Ein Beispiel ist China: China hat auch während der kurzen Abwesenheit der USA am Verhandlungstisch den Klimaschutz weiter vorangetrieben. Seit der Wahl von Joe Biden in den USA und seiner Ankündigung, dem Thema wieder die notwendige Aufmerksamkeit zu geben, hat der internationale Klimaschutz weiter an Fahrt gewonnen. Und auch die EU hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. Es ist klar: Die Zeichen zeigen alle in Richtung des internationalen Klimaschutzes. 

 

Genügt denn das CO2-Gesetz, um langfristig die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen?

Für die Einhaltung der Verpflichtungen des Pariser Abkommens ist es absolut zentral, dass die Schweiz das CO2-Gesetz annimmt. Ohne ein CO2-Gesetz fehlt in der Schweiz die rechtliche Grundlage sowie auch der notwendige wirkungsvolle Hebel, um die Ziele zu erreichen. Mit dem CO2-Gesetz haben Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft ein Langzeitziel und wissen, in welche Richtung wir uns entwickeln müssen. Es ist ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung. Darauf kann die künftige Klimapolitik aufbauen und sich weiterentwickeln. Ein Nein zum CO2-Gesetz hingegen würde die Schweizer Klimapolitik auf Jahre blockieren.  

 

Kurzbeschreibung:

*Dina Spörri war von 2014 bis 2020 Teil der Schweizer Klimaverhandlungsdelegation und hat zentrale Aspekte des Pariser Klimaabkommens und der Umsetzungsrichtlinien im Namen der Schweiz verhandelt. Seit Frühling 2020 ist sie Politikverantwortliche beim WWF Schweiz.