SNB-Ausstieg aus Kohleminen: erstem Minimalschritt muss umfassende Klimaintegration folgen

Am 17. Dezember 2020 veröffentlichte die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Entscheid, Unternehmen aus ihren im Ausland platzierten rund 900 Milliarden Währungsreserven auszuschliessen, deren Geschäft primär im Betrieb von Kohleminen besteht. Damit hat sie die Tür zu einer möglichen Hinwendung zu einer klimaverträglichen Investitionspolitik geöffnet. Doch diesem eher symbolischen Anfang muss die Anerkennung des Pariser Klimaabkommens als Leitlinie für ihre Investitionspolitik folgen.

Mit ihrem Gewicht als achtgrösster globaler institutioneller Investor verfügt die SNB über einen beträchtlichen Hebel zum Schutz der Menschheit und ihrer Lebensgrundlagen vor den Klimakatastrophen. Ende 2019 hielt die SNB im ihrem US-Portfolio USD 5.9 Milliarden in 148 fossilen Energiekonzerne: nur 5 davon waren Kohleunternehmen mit einem sehr tiefen Wert von USD 4.7 Millionen. Diese wenigen Firmen wurden von der SNB ausgestossen. Auch nach dem Ausschluss von Kohleminen investiert sie weiterhin in Kohlekraftwerke sowie in Erdöl- und Erdgaskonzerne wie Chevron, Exxon, Shell und BP. Auch einige der grössten Kohleproduzenten wie Glencore, bei denen der Abbau von Kohle nur einen Bruchteil ihres Geschäfts ausmacht, bleiben gemäss den Formulierungen der SNB im Portfolio. Damit ermöglicht die SNB nach wie vor die Erschliessung und Förderung neuer Vorkommen und finanziert so die Erhitzung des Planeten aktiv mit.

Mit ihrem Beschluss anerkennt die SNB erstmals, dass sie mit ihren global gewichtigen Investitionen in der Verantwortung steht. Jetzt ist sie aufgefordert, ihre Pflicht bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens systematisch wahrzunehmen, indem sie mit gutem Beispiel vorangeht, aus allen ihren Investitionen in fossile Energien aussteigt und in die grüne Wirtschaft investiert.

Die Nationalbank hat schätzungsweise 10 Prozent ihrer Gesamtreserven von rund 900 Milliarden an der amerikanischen Börse angelegt. Der in den weiteren industrialisierten Ländern und den Emerging Markets investierte Anteil ist unbekannt. Doch bereits mit den in den USA angelegten Geldern trägt die SNB zu Emissionen von 43,3 Millionen Tonnen CO2eq pro Jahr bei, etwa gleich viel wie die Inlandemissionen der Schweiz.

Im Rahmen ihrer Ankündigung informiert die SNB weiterhin, sie wolle Analysen durchführen, “wie der Klimawandel das Wirtschaftswachstum und die Inflation beeinflussen könnte”. Erstmals anerkennt sie damit, zusammen mit der FINMA eine Aufgabe zur Wahrung der Stabilität des Finanzsystems zu haben. Der Diskussionsstand des Grossteils der im Network for Greening the Financial System vereinigten globalen Zentralbanken lässt ihr keine Möglichkeit mehr, diese Risiken zu vernachlässigen: zu offensichtlich sind die voraussehbaren Wirkungen der kommenden Klimakatastrophen, kombiniert mit den darauffolgenden zwingenden Notfallregulierungen, auf Finanz und Wirtschaft in der Schweiz. In der Wahrnehmung dieser Aufgabe muss sie mit gutem Beispiel vorangehen. Die nachhaltige Umschichtung ihrer Auslandsinvestitionen ist zwingend erforderlich. Ansonsten verliert sie ihre Glaubwürdigkeit in Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft.

Die Klima-Allianz veröffentlichte im April 2018 eine Studie mit konkreten Empfehlungen an die SNB, wie das Klima und die Stabilität des Finanzsystems geschützt werden könnten: 

  1. Die Nationalbank bekennt sich in einem öffentlichen Schreiben zum Pariser Klimaabkommen und zu den UN Sustainable Development Goals und gibt die ersten Schritte bekannt.
  2. Sie erarbeitet vorsorglich Grundlagen, welche die Beherrschung der Klimarisiken im Rahmen der Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems ermöglichen.
  3. Sie beginnt mit der Durchführung von Klima- Stresstests sowie Szenarioanalysen für den Schweizer Finanzsektor – Versicherungen, Banken, Pensionskassen – und veröffentlicht Massnahmen zur Eindämmung von Makro-Risiken.
  4. Sie evaluiert die Exposition ihrer eigenen Investitionen gegenüber Klimarisiken.
  5. Sie erweitert die Anlagerichtlinien, um Investitionen in Unternehmen auszuschliessen, die systematisch gravierende Klimaschäden verursachen.
  6. Sie ermittelt und veröffentlicht die 2°C-Kompatibilität und die CO2-Emissionen ihrer Wertschriften-Portfolios.
  7. Sie legt offen, mit welchen Massnahmen sie den 2°C-Kompatibilitätspfad rechtzeitig erreichen und die CO2-Emissionen reduzieren will, und wie sie deren Erfolg messen wird.
  8. Sie beginnt als Erstes, die Kohlefirmen und die Unternehmen mit den grössten fossilen Energiereserven der Liste Carbon Underground 200 zu desinvestieren.
  9. Für die weiteren den Klimarisiken ausgesetzten Sektoren (z.B. der Stromproduzenten, der Ausrüster von fossilen Energieunternehmen oder der Automobilhersteller) greift sie ergänzend nach einem “Best in class” Ansatz ein. Sie fördert diejenigen Firmen, welche die Energietransition entschlossen umsetzen (z.B. mit der Umstellung auf erneuerbare Energien).