Klimafortschritt der SNB: Prädikat ungenügend

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stemmt sich nach wie vor gegen das Pariser Klimaabkommen. Ihre Währungsreserven im Ausland finanzieren die Klimaerhitzung und den Biodiversitätsverlust. Sie stellt ihre Unabhängigkeit ins Zentrum und sieht sich durch die dringlich erforderliche Umlenkung der Finanzflüsse nicht angesprochen. Unter dem Deckmantel der behaupteten “Marktneutralität” leistet sie in Wirklichkeit Strukturhilfe für die fossile Weltwirtschaft. Das internationale und nationale Netto-Null Ziel würde aber strukturelle Hilfe für die Transition hin zur grünen, erneuerbaren und biodiversen Kreislaufwirtschaft erfordern.

Der Klimafortschritt der SNB ist in jeder Hinsicht minimal. Nicht nur ignoriert sie die Klimaziele, sie ist auch auf Kollisionskurs mit dem Nationalbankgesetz. Dieses weist ihr die makroökonomische Sicherung der Stabilität des Finanzsystems Schweiz gegen die potenziell fatalen Auswirkungen der Klimaerhitzung zu. Doch sie schenkt den steigenden ökonomischen Klimarisiken für die Schweiz noch kaum Beachtung.

Mit ihrer klimaschädigenden Anlagepolitik verschlimmert die SNB derzeit genau das Problem, gegen dessen Materialisierung sie von Gesetzes wegen präventive Regulierungen ausarbeiten sollte.

Steigender Druck aus der Zivilgesellschaft

Heute ist die Nationalbank, eigentlich die Bank des Volkes, Teil des Problems.

Breite Kreise wollen Veränderung, Lautstärke und Entschlossenheit nimmt zu. So hat die unter dem Dach der Klima-Allianz gebildete zivilgesellschaftliche SNB-Koalition am 30. April 2022 eine Volksversammlung für eine grüne und gerechte Nationalbank abgehalten. Bereits im Sommer 2021 wurden die Finanzminister aller Kantone, Aktionäre der SNB, im Rahmen der schweizweiten Tour de Climat aufgefordert, sich für eine klimafreundlichere Nationalbank einzusetzen. Die Regierung des Kantons Basel-Stadt hat als Reaktion darauf einen Brief an die SNB geschrieben, worin er auf das Vorbild der Europäischen Zentralbank (EZB) verweist, welche im Rahmen ihres Mandats dazu beitragen will, den Klimawandel zu bekämpfen. Und die Regierung des Kantons Genf möchte in einem Brief an die SNB sicherstellen, dass diese den Kampf gegen den Klimawandel in ihre Anlagepolitik einbezieht.

Die Nationalbank muss Teil der Lösung werden. Die SNB-Koalition erwartet von ihr, dass sie ihr Mandat konsequent umsetzt, indem sie ihr Anlageportfolio auf den 1,5°C Pfad und die vollständige Wiederherstellung der Biodiversität ausrichtet. Gleichzeitig muss sie zusammen mit der Finanzmarktaufsicht (FINMA) und den politischen Entscheidungsträgern den Finanzplatz mit klimapositiven Massnahmen regulieren, um dessen Stabilität gegen Klimarisiken abzusichern.

SNB-Investitionen sind in Konflikt mit dem Netto-Null Ziel

Mit ihren Währungsreserven von über 900 Milliarden Franken finanziert die SNB schon nur mit ihren Aktien und Obligationen an der New Yorker Börse soviel Treibhausgasemissionen wie die territoriale Schweiz mit ihrer Wirtschaft, Bevölkerung und Landwirtschaft ausstösst. Bei Einrechnung der übrigen globalen Finanzmärkte ist ihr CO2eq-Fussabdruck noch höher. Als global etwa achtgrösster öffentlicher Investor ist die SNB nach wie vor eine bedeutsame Stütze der fossilen Weltwirtschaft. Statt im Feld des von ihr überwachten Finanzplatzes mit gutem Beispiel voranzugehen, wirkt sie als bedeutsamer Bremsklotz für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.

Dieses Abkommen wurde schon vor Jahren auch durch die Schweiz ratifiziert. Der Bundesrat hat sich im Rahmen von dessen Umsetzung zum Netto-Null Ziel 2050 verpflichtet. Der SNB fehlt aber noch die Bekenntnis zu einer Anlagestrategie mit Dekarbonisierungspfad in Linie mit dem Klimaziel von 1.5°C und somit Netto-Null finanzierte Emissionen weit vor 2050. In Synergie dazu wäre die Selektion der Firmen für das Anlageportfolio auszurichten auf die ebenfalls durch den Bundesrat unterstützten UN-Sustainable Development Goals (Agenda 2030) sowie auf die Ziele der UN Convention on Biological Diversity (Kunming-Konferenz 2021-2022).

SNB-Investitionen bedrohen Stabilität des Finanzsystems

Wenn die Klimakatastrophen und der Biodiversitätsverlust zukünftig flächendeckend werden, dann würden die Staaten und die Weltwirtschaft in den Krisenmodus geraten. Zur Schadenbegrenzung wären Politik und Wirtschaft gezwungen, die längst fällige Energietransition und den Übergang zur Kreislaufwirtschaft massiv zu beschleunigen. Dies hätte den klimabedingten, schnellen Niedergang der fossilen und nicht nachhaltigen Wirtschaftsteile zur Folge. Ähnlich der Finanzkrise 2007 fände eine Kettenreaktion von Wertverlusten statt, der die Bilanz der Finanzinstitute – Banken, Versicherungen, Asset Manager und Asset Owner –  in schwerwiegende Schieflage bringen könnte. Für die Wirtschaft sowie den global besonders exponierten Finanzplatz der Schweiz wären die Folgen eines beschleunigten ökonomischen Niedergangs der fossilen Energien und der davon abhängigen Wirtschaftssektoren einschneidend. Das Network for Greening of the Financial System (NGFS) der Zentralbanken der Welt legt dies in seiner neuesten Studie “Climate Scenarios for Central Bank and Supervisors” wissenschaftlich noch fundierter dar als in den früheren Publikationen.

Die SNB wäre eigentlich zusammen mit der FINMA zuständig für die Stabilität des Finanzplatzes – die Nationalbank mit Systemsteuerung auf der makroökonomischen Ebene, die Finanzmarktaufsicht mit mikroökonomischer Regulierung der Finanzmarktteilnehmer. Eine andauernde Nichtbeachtung der wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse über die Klimarisiken würde die SNB in Konflikt bringen mit ihrer Aufgabe, ihre Geld- und Währungspolitik im Gesamtinteresse des Landes zu führen und dabei auch zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen.

SNB-Präventivpolitik für Finanzstabilität ist noch inexistent

Auch die Bundespolitik sorgt sich um die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems. Das Postulat “Nachhaltigkeitsziele für die Schweizerische Nationalbank” der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates, welches an den Bundesrat überwiesen wurde, verlangt einen Bericht, worin aufgezeigt wird, wie die SNB den Bund bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele unterstützen kann, und welche proaktive Rolle sie in der Koordination von Klimamassnahmen im Finanzsektor einnehmen kann. Wie aus einer den Stand nachfragenden Interpellation hervorgeht, ist eine interdepartementale Gruppe unter Einbezug der SNB an der Arbeit.

Zwar beteuert die Nationalbank, sie berücksichtige Klimaaspekte, insbesondere indem sie Unternehmen ausschliesse, die “primär in der Kohleförderung für Energiezwecke tätig sind”.

Dies ist gewiss ein Fortschritt. Aber die SNB bleibt abwehrend. Barbara Janom Steiner, die Präsidentin des Bankrates, der obersten Behörde der Nationalbank, meinte an der Generalversammlung vom 29. April 2022, der Beitrag, den sie beim Kampf gegen den Klimawandel leisten könne, werde massiv überschätzt. Die Nationalbank habe keine legale und legitime Grundlage für Entscheidungen dafür. Dies, obwohl sie gerade eben im Rahmen ihres Mandates für das Finanzsystem dazu legal nicht nur legitim verpflichtet wäre.

Die SNB-Koalition skizziert den Weg vorwärts

Mit einem fachlichen und konstruktiven Transitionsplan zeigt die SNB-Koalition auf, wie die Nationalbank vorgehen könnte:

  • Beginnend mit der Messung und Offenlegung der finanzierten Treibhausgasemissionen und der Biodiversitätszerstörung ihrer Anlagepositionen könnte die SNB Transparenz schaffen über ihr Potenzial zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele des Bundes.
  • Die SNB könnte entsprechend einen eigenen Transitionsplan mit Anpassung der Anlagestrategie und einem Absenkpfad veröffentlichen, welcher der Klima- und Biodiversitätskrise gerecht wird.

Im Feld der wirtschaftlichen Klimarisiken könnte sie zusammen mit der FINMA ihr Mandat für die Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems ernst nehmen, indem sie Erkenntnisse über die kritischen Faktoren gewinnt und Lösungsoptionen für Regulierungen erarbeitet:

  • Umfragen und Analysen, sowie ein makroprudentieller Stresstest könnten am Anfang stehen.
  • Nachfolgend könnten die Schweizer Finanzinstitute verpflichtet werden, ihre Wirkung auf Klimaerhitzung und Biodiversitätsverlust sowie die damit verbundenden finanziellen Risiken ihrer Geschäftstätigkeit offenzulegen.
  • Letztendlich sollten die Finanzmarktüberwacher SNB und FINMA die Eigenkapitalanforderungen unter Berücksichtigung von Klima- und Biodiversitätsrisiken neu festlegen. Damit dies im ausreichenden Mass geschieht, wäre eine “one for one” Kapitaldeckung für Kredite und Versicherungen für Investitionen in Öl-, Gas- und Kohle-Unternehmen ins Auge zu fassen. Für die Finanzierung neuer Investitionen in fossile Brennstoffe müssten Banken und andere Finanzinstitute die gesamte Kreditsumme mit eigenen Mitteln absichern, um gegen potenzielle Verluste gerüstet zu sein. So könnte sichergestellt werden, dass sie die notwendigen Sicherheiten für ihre riskanten Wetten stellen und nicht wieder ähnlich der Finanzkrise 2007 die Schweizer Steuerzahler:innen zu Hilfe eilen müssen, wenn die fossile Blase platzt.

Kontakt:

Asti Roesle, Finanzplatz und Klima, Nationalbank, asti.roesle@klima-allianz.ch

Sandro Leuenberger, Finanzplatz und Klima, Politik, Pensionskassen, sandro.leuenberger@klima-allianz.ch