Pensionskassen Klimareport 2024, Teil 2 – Kaum Bewegung bei den Unbewegten und Intransparenten

“TIEFROT” sind mit rund 40% des Anlagevolumens die Unbewegten und Intransparenten

Im Teil 1 haben wir die erfreuliche Zunahme des klimaverträglich investierten Anlagevolumens aufzeigen können. Darauf aufsetzend konnten wir Erwartungen an neue, zukunftsorientierte Zielstellungen für nachhaltige Investitionen formulieren.

In diesem Teil 2 unseres Klimareports 2024 müssen wir nun auf die Not So Good News eingehen. Die oben mit ihren ersten wenigen Zeilen abgebildete Liste der total 275 vermuteten ESG-Beginners haben wir erstellt im Rahmen unserer Kampagne der Neuerfassung und des Challengings des noch dunklen Teils der Pensionskassen. Diese investieren bisher konventionell, also klimaschädlich, wie wir – wenig überraschend – herausgefunden haben. “Vermutet” sagen wir, weil wir noch nachfassen werden, ob nicht doch bei der einen oder anderen Pensionskasse eine positive Veränderung im Gange ist. Wir erreichen mit dieser Liste einen “TIEFROTEN” Teil von etwa 28-30% des Anlagevolumens aller Vorsorgeeinrichtungen. Weitere geschätzt etwa 800 Mini-Firmenpensionskassen mit etwa 10-12% des totalen Anlagevolumens konnten wir aufgrund des grossen Aufwandes nicht erfassen, dieser Teil ist aber ebenfalls als “TIEFROT” zu betrachten. Zusammengenommen machen diesen beiden “TIEFROTEN” Teile mit rund 40% den Grossteil des Anlagevolumens in “ROT” von 51% des Totals aus, den wir im Teil 1 mit dem Prädikat “klimaschädlich” bezeichnen mussten. Für den Rest von etwa 11% des Totals aller Pensionskassen, der noch in “ROT” ist, besteht erfreulicherweise Anlass zur Annahme, dass eine zwar noch zaghafte Entwicklung zur Nachhaltigkeit im Gange ist – entsprechend der Tendenz “etwas besser” oder “besser”, teils auch schon mit “Potenzial zu ORANGE”.

Fehlende Transparenz

Von den von uns erfassten mittleren und grossen Pensionskassen sind rund 220 intransparent, da sie keinen Webauftritt haben. Dasselbe ist gemäss unseren Stichproben bei den rund 800 Mini-Pensionskassen der Fall. Wir haben dieses Anlagevolumen der Vorsorgeeinrichtungen zusammengezählt, die wir als “Im Dunkeln” einordnen müssen: was die Investitionen bewirken, kann für rund 20% des Vorsorgekapitals der Schweiz von total rund 1400 Milliarden nicht unabhängig durch externe Interessengruppen ermittelt werden. Der “dunkle” Betrag im Bereich von 280 Milliarden ist keine Bagatelle.

Kein Webauftritt auf der Firmenwebsite: was bei den etwa 800 Mini-Pensionskassen von KMU’s noch mit den geringen Ressourcen erklärbar ist, ist aber für die Grossen unter den Firmen-Pensionskassen unverständlich. Besonders auffällig ist das Verhalten der Pensionskasse der UBS und der Pensionskasse der Roche, die es sich leisten, gegen aussen intransparent zu bleiben. Auch die wiederholten Anfragen der Klima-Allianz nach Informationen, ob und wie genau ihre Anlagepolitik die Nachhaltigkeit einbezieht, beantworten sie, wenn überhaupt, abschlägig. Diese Haltung steht in offensichtlichem Widerspruch zum ESG Reporting Standard für Pensionskassen des Pensionskassenverbandes ASIP vom Dezember 2022, der feststellt, mit einer Offenlegung solle “ein Zeichen gesetzt werden: Die PK-Branche befasst sich eigenverantwortlich mit dem Thema, kommuniziert dies auch aktiv und nimmt somit ihre Verantwortung wahr”. Und der ASIP “empfiehlt, eine Übersicht der Nachhaltigkeitsstrategie (inkl. ESG-Kennzahlen) auf der Website zu publizieren. Auch die ASIP ESG-Wegleitung für Schweizer Pensionskassen vom Juli 2022 besagt, das Reporting sei “ein Kommunikationsinstrument, das eine wichtige Rolle dabei spielt, Destinatäre und über eine angemessene ESG-Umsetzung zu informieren”. Jedenfalls müssen wir eine ausbleibende Reaktion auf unsere Anfragen als Kenntnisnahme und Einverständnis mit unserer Annahme betrachten, dass sie noch konventionell und somit klimaschädigend investieren.

Klimaschädlichkeit verletzt auch Sorgfaltspflicht 

Alle Vorsorgeeinrichtungen in “Rot”, besonders die noch Unbewegten und Intransparenten,  missachten ihre gesetzlich vorgegebene treuhänderische Sorgfaltspflicht. Ihre unverminderten Investitionen in fossile Energien sind also nicht nur ein Risiko für das Klima, sondern auch für die Renten. Bereits seit 2018 bekräftigt das Rechtsgutachten NKF, dass auch die schweizerischen Pensionskassen die finanziellen Klimarisiken bei der Firmenselektion für ihre Kapitalanlagen berücksichtigen müssen. Auch dürfen sie es nicht verpassen, die Chancen der Energietransition wahrzunehmen. Wenn die Verantwortlichen ihr Risikomanagement nicht anpassen, kann dies juristisch als Verletzung ihrer treuhänderischen Sorgfaltspflicht ihren Versicherten gegenüber eingestuft werden. Die säumigen Pensionskassen machen sich rechtlich angreifbar.

Die Informationskampagne der Klima-Allianz

Einige wenige Pensionskassen, die uns auf unsere Empfehlung hin offenlegten, in welchem Ausmass sie bereits konventionelle Fonds durch “Advanced ESG”-Anlagelösungen substituiert hatten, konnten wir höherstufen – einige unmittelbar in “HELLGRÜN” – und aus der besagten Liste der ESG Beginners entfernen. Die fast vollständig ausbleibenden Reaktionen haben und jedoch veranlasst, den aktuell 275 verbleibenden Vorsorgeeinrichtungen eine Vorversion des Informationsschreiben zuhanden der Stiftungsratsmitglieder zuzustellen. Dieses geht insbesondere auf die erwähnte, durch die treuhänderische Sorgfaltspflicht bedingte Vorgabe zur Einbindung der finanziellen Nachhaltigkeits- und Klimarisiken in die Anlagepolitik ein.

Nachhaltigkeit ist einfach – Just do it!

Den 275 Vorsorgeeinrichtungen auf der Liste der vermuteten ESG-Beginners haben wir neben dem Informationsschreiben auch unsere neue Empfehlungsliste: Nachhaltige und klimaverträgliche Anlagelösungen für Pensionskassen gesandt. Diese visualisiert die Vielzahl der auf dem Markt zur Ablösung der konventionellen Pendants angebotenen “Advanced ESG” Fonds und bewertet sie auf ihre Nachhaltigkeitswirkung. Es gibt heute, im Unterschied zu früher, ein breites Sortiment substanziell nachhaltiger Fonds zur Abdeckung sozusagen aller finanztechnischen Bedürfnisse der Pensionskassen, das zunehmend besser mit Klima- und Nachhaltigkeitsdaten dokumentiert ist. Die Zahl ist hoch, obwohl wir strenge Filter anwenden – Greenwashing und fehlende Nachhaltigkeitsdokumentation kommt bei uns nicht durch. Unsere Liste ist erst im Aufbau. Trotzdem enthält sie bereits 140 Fonds sowie Anlagegruppen von Anlagestiftungen aller Anlageklassen: für Aktien (kotiert und nicht kotiert), Obligationen (kotiert und nicht kotiert) und Infrastruktur. Mit den finanztechnischen Untervarianten, die wir nicht aufführen, wären es ein Mehrfaches. Auch die Immobilienfonds fehlen noch.

Fazit: Die Ausrede, es gäbe kein passendes Angebot, funktioniert längst nicht mehr.

Damit schliessen wir die Not So Good News ab. Lesen Sie im Teil 3 unsere Reflexionen über die Erfolgsaussichten einer Politik des Bundes, welche noch auf die Freiwilligkeit im Ergreifen von Massnahmen zur Umlenkung der Finanzflüsse im Lichte des Pariser Klimaabkommens setzt.

 

Autor: Sandro Leuenberger, sandro.leuenberger@klima-allianz.ch